Andere Länder, andere Sitten: Dass das Schauspielstudium in Norwegen etwas anders abläuft als in Deutschland, lernen Emery Escher, Philipp Rosenthal und Cem Lukas Yeginer im Moment auf die harte Tour. Sie berichten von einem ganz normalen Tag an der norwegischen Schauspielschule Westerdals Oslo ACT. Ein Realitätscheck!
Ein typischer Tag an der Osloer Schauspielschule beginnt um 9.15 Uhr im großen Fitnesscenter: Dort treffen wir unseren Dozenten, den Grönländer Alex. Wenige Augenblicke später ertönt Justin Biebers What do you mean aus den Boxen. Doch anstatt freudvoll unsere Hüften in Ekstase zu schwingen, wie wir es vielleicht bei unserer Münchner Dozentin für Tanz, Katja Wachter, getan hätten, finden wir uns in der Realität wieder: Am Boden liegend, schwitzend, den 35. Sit-up vollziehend. Philipp lehnt sich zu Cem: "Hey du! Noch ‘ne Stunde, das packen wir schon!" Und abermals trifft uns die Realität wie ein 9-Euro-Bier in einer Osloer Bar: Die Hip-Hop Session dauert ganze drei Stunden…
Endlich! Wir haben es geschafft: Wir sitzen am Mittagstisch, der Hunger übermannt uns und wir schaufeln uns wie gewohnt die Teller voll. Oh! Wieder eine kleine Konfrontation mit der Realität: Gezahlt wird hier nach Gewicht. Aber auch ein Essen für 15,96 € macht satt.
Frisch energetisiert fliegen wir zur Probebühne. Punkt 13 Uhr sitzen wir mit unserer Dozentin Trine Wiggen (die Bibiana Beglau Oslos) am Tisch und besprechen unsere Szenen. Realitätscheck: Wir spielen auf Norwegisch. Doch Emotionen sind international: Cem aka Hedwig liegt heulend am Boden und fleht seinen/ihren Vater an ihn/sie nicht zu verlassen, Emery aka Alfred schreit verzweifelt seiner Ehefrau nach, sie sei Schuld am Tod ihres gemeinsamen Sohnes. Philip aka Der Fremde steht wutentbrannt und trotzdem hoffend (WOW! DETTE ER SERIØST BRA SKUESPILL) am Bühnenrand und wartet drauf, dass wahre Liebe endlich siegt. Und plötzlich werden aus 180 Minuten Probe ein einziger Augenblick voller Leidenschaft.
Doch nur eine frisch gebackene Volleiwaffel und ein schwarzer Filterkaffee aus der Kantine können uns auf das vorbereiten, was jetzt zu kommen droht: 3 Stunden Gesangsunterricht bei Nini. Voller Begeisterung zeigt sie uns die ganze Zeit, wie mächtig sie der deutschen Sprache ist - doch ihre obertonreiche Stimme droht uns die Trommelfelle zu versengen. Friedlich summend im Kreise singen wir mal laut, mal leise norwegische Volkslieder.
Um 19 Uhr es ist vollbracht: Der Tag, der hat uns Spaß gemacht. Wir sitzen im Park und genießen die wunderbare Restsonne. Rema 1000, der norwegische Supermarkt, sorgt für unser leibliches Wohl – nicht immer günstig, aber dafür herzlich. Das Paradies für uns sind die Menschen aus Norwegen. Ihnen zu begegnen hat uns die Sinne geöffnet. Hier in Oslo haben wir wieder neue Kraft getankt. Eine Kraft, die sich nicht in Creditpoints messen lässt, sondern die eigene Kreativität aufs Neue belebt.