Loslassen

In unserem Blog berichten die Maskenbild-AbsolventInnen über ihre Arbeiten für die Ausstellung vom 02. bis 11. März 2018 im Akademietheater. Nach Steffen Roßmanith und Julian Hutcheson ist heute Caterina Veronesi mit Loslassen – Eine skulpturale Manifestation meiner Emotionen die dritte um Bunde. Wie persönlich ihre Skulpturengruppe ist und was sie mit der Suche nach Glück zu tun hat, erzählt sie im Folgenden.

Making of...

Die Freiheit, Kunst zu machen und sich mit Themen zu beschäftigen, die einen berühren, sind die Grundsteine meiner Arbeit. Die Herausforderung besteht darin, meine Interessen abzuwägen und einen gemeinsamen Nenner für sie zu finden. So reflektiert meine Arbeit jene Gedanken, Gefühle und Meinungen, die mich wesentlich beschäftigen. Denn mich selbst und meine künstlerischen Vorstellungen besser zu verstehen, ist eine Notwenigkeit, die ich brauche, um mich in meinem Umfeld und in meiner Generation zu positionieren. Um eine reflektierte, eigene Haltung zu bilden, muss ich wissen, wer ich bin und was ich ästhetisch will.

Anders als Epikur, der sich für den Weg des kleinen Glücks entscheidet, weil er sagt, dass jemand, der sich hoch hinauswagt, auch sehr tief fallen kann, reizt es mich, mehr über die Gefühlsachterbahn des Lebens zu erfahren. Diese Fahrt beginnt für mich mit der Suche nach den Momenten, in denen ich mich als glücklich erfahre. Eine Sehnsucht, die scheinbar nie wirklich gestillt wird – der man aber immer in voller Hoffnung nachjagt. Gleichzeitig ist mir ein bei Arthur Schopenhauer entlehnter Gedanke wichtig geworden. Demnach könnte die Verbindung von Leben und Glück ein menschlicher Irrtum sein, ein Irrtum freilich, der attraktiv und anziehend wirkt. Wer möchte nicht leben, um vor allem Glück zu empfinden?

Vor diesem Hintergrund will ich einen Ausschnitt meiner derzeitigen Selbstwahrnehmung zeigen, indem ich mich mit dem Thema des persönlichen Glücks, der individuellen Hoffnung und der damit stets verbundenen Angst beschäftige. Meine praktische Arbeit ist eine persönliche Auseinandersetzung und gleichzeitig ein Versuch, die Ergebnisse meiner Gedanken bildlich darzustellen. Herausgekommen ist ein dreidimensionales Selbstportrait, das zwei weibliche Körper in Anlehnung an das Formvokabular einer Pietà darstellt. Die Wirkung der Skulptur resultiert aus der Kombination von Verlustangst und Mut, dem Wagnis also, loslassen zu können – verbunden mit dem Ziel, sich im Anschluss an eine solche Befreiung glücklicher als zuvor wahrnehmen zu können.


Selbstporträt: Die Kraft finden loszulassen - Die Angst, Geliebtes und Gewohntes zu verlieren

In der Vorbereitung zu meiner Arbeit versuchte ich zu erkennen, in welchen Momenten ich mich als rundum glücklich erfahre. Was muss um mich herum passieren – und in welchen Umständen befinde ich mich dabei? Solchen Fragen widmen sich freilich viele Menschen, und für meine Masterarbeit wollte auch ich diesem Thema auf den Grund gehen. Zweifellos klingt eine solche Frage, als sei sie einfach zu beantworten; schließlich weiß ich genau, in welchen Situationen ich mich gut fühle und in welchen nicht. Aber der Gedanke war, dass ich den Ursprung meiner positiven Emotionen finde, einen Grund also, welcher der Auslöser meines Glücks ist und der zugleich für das Negative stehen kann, für meine Traurigkeit und Ängste. Daher lautet die Frage nicht, was mich glücklich macht – sondern, konkreter, warum mich etwas glücklich oder aber unglücklich macht.

Ich habe herausgefunden, dass Emotionen vor allem dann entstehen, wenn ein Austausch von Energie, in welcher Form auch immer, zwischen mir, also meinem Körper, und der Außenwelt stattfindet. Die bekannteste Art von Energie, die wir zu spüren meinen, ist die Liebe. Wir können sie nicht sehen oder greifen, aber auf unsere je eigene Art und Weise erleben. Das ist die Art von Energie, von der ich spreche. In jedem Fall reagiere ich auf äußere Einflüsse, und meine Reaktion darauf wirkt sich wiederum auf meine Umgebung aus. Mein Körper ist gleichzeitig Sender und Empfänger. Es entsteht ein energetischer Austausch, ein abstraktes Netzwerk aus energetischen Wellen, das nur ich so und nicht anders fühlen kann. Angelehnt ist dieser Gedanke an Bertrand Russells Theorie zum Glück, die besagt, dass die Verhältnisse in einer Gesellschaft, in der ein Mensch lebt, zu großen Teilen über das Glück des Einzelnen entscheiden. Für Russell hängt das Glück der Menschen folglich von zwei Dingen ab: von ihrer Arbeit und ihren sozialen Beziehungen.

In meiner Arbeit versuche ich, den Umgang zwischen diesen konstruierten Gesellschaftsformen und meinen eigenen Idealen auszubalancieren. Ich musste mir also klar werden, was mich beschäftigt, was mich interessiert und wie ich auf all die Einflüsse, die mich umgeben, reagiere.

Ich musste in besonderer Weise ehrlich zu mir sein, was ich als eine große Herausforderung erlebt habe. Glückliche Momente empfinde ich spontan, und manchmal helfe ich gezielt mit bestimmten Methoden nach. In beiden Fällen erscheint mir Glück als ein Zusammenkommen von Zuständen, die sich möglicherweise positiv auswirken können.

Vor allem glaube ich daran, dass positiv und negativ bzw. gut und schlecht zusammen existieren müssen und dass die daraus entstehende Balance notwendig ist, um weder der einen noch der anderen Seite ein zu starkes Gewicht einräumen zu müssen. Dennoch begebe ich mich gerne in Extremsituationen, da sie es sind, die mich an den Rand meiner Komfortzone bringen. Die Auseinandersetzung mit diesen Herausforderungen empfinde ich als eine Belohnung. Doch obwohl ich mich gerne mit ungewohnten Umständen beschäftige, um letztlich stolz auf mich sein zu können, fürchte ich mich gleichzeitig davor, Gewohnheiten zu verlieren, selbst dann, wenn sie sich negativ auswirken. Zugleich empfinde ich diese Verlustangst als notwendig, da sie mich reagieren lässt und somit Energie freigibt. Ich fühle mich also lebendig und gleichzeitig wertvoll, weil ich mich spüre und mich damit auch spürbar für meine Außenwelt mache. Gefühllosigkeit hingegen bedeutet für mich, nicht länger am Leben teilzuhaben. Nicht lebendig zu sein heißt, keine Schwingungen auszulösen; es gibt also keine Bewegung und nichts geht voran, sodass also auch kein Glück entstehen kann. Gewissermaßen bin ich darauf angewiesen, Resonanzverhältnisse zu meiner Umwelt aufzubauen. ich erfahre mich immer dann als besonders zufrieden, wenn es mir gelingt, mit anderen Menschen in ein gemeinsames Schwingungsverhältnis zu kommen. So lasse ich mich von anderen anregen und versuche umgekehrt, andere durch mich anzuregen.


Die Visualisierung meiner Erkenntnisse

Zwei Figuren. Eine sitzt breitbeinig und hält einen reglosen Körper in ihren Armen. Er scheint zu entgleiten, jedoch ist es nicht klar, ob er losgelassen wird oder nicht. Die Möglichkeit, dass er fällt, ist gegeben. Dass ich mich mit meinen verschiedenen Zuständen des Seins beschäftige, wird sowohl von der unterschiedlichen Materialität als auch der Zweifarbigkeit der Figurengruppe unterstrichen. Ein zwischen Hoffen und Trauern, Festhalten und Loslassen unentschiedener Blick geht von der sitzenden Figur aus. Es ist ein Blick, der selbst keinen Halt zu finden scheint, der in die Leere geht und damit vor allem die innerliche Verfassung der Figur zum Ausdruck bringt. Mit meiner Skulpturengruppe möchte ich keine abschließende Interpretationsvorgabe vorlegen. Vielmehr möchte ich sie als einen Anstoß verstanden wissen, als eine Möglichkeit, sich selbst und seine Beziehung zur Suche nach dem Glück zu hinterfragen. So stark, wie ich selbst auf die Resonanz meiner selbst und der anderen angewiesen bin, so sehr möchte meine Arbeit anregend wirken – und die Frage nach dem Glück als eingesponnen zwischen einem Festhalten und dem Loslassen charakterisieren.

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