Emery, du hast hier an der Theaterakademie Schauspiel studiert. Wie ist es, als Schauspieler bei einer Opernproduktion dabei zu sein?
Emery: Als ich angefragt wurde, habe ich mich erst einmal gewundert. Ich hatte bis dahin noch nie gehört, dass es auch Schauspielparts in einer Oper geben kann. Dann wurde mir klar gemacht, dass es sich um eine stumme Rolle handelt. Ich glaube da war der innere Schauspieler in mir erst einmal enttäuscht, aber ich habe mich sehr schnell mit dem Gedanken einer stummen Rolle angefreundet. Was für eine spannende Möglichkeit, einmal wirklich nur aus dem Körper und mit Blicken auf das Geschehen auf der Bühne zu reagieren. Meine Rolle ist ja eigentlich wie eine Kamera: Alles was auf der Bühne passiert, filmt die Figur Leandrí – sie nimmt die ganzen Kriege zwischen den Fabianis und Pietra Neras auf. Ich fand es schauspielerisch wahnsinnig spannend, ohne Text trotzdem eine Figur zu entwickeln, die dann ganz feingliedrig auf alles reagiert.
Damien: Für mich als Sänger ist das auch sehr interessant. Ich kenne diese Sängerwelt mittlerweile ganz gut und wir sind immer sehr damit beschäftigt, Text und Atemtechnik zu koordinieren und mit dem Orchester zu harmonieren. Dann kommt da plötzlich ein Leandrí/Emery dazu und bringt seine Schauspieltechnik mit. Egal, was ich mache, ich bekomme immer wieder Hilfe von Emery. Es ist so spannend, mit einem Schauspieler zu arbeiten. Das hat einen großen Mehrwert!
Emery: Absolut, das ist ein totales Geben und Nehmen.
Gibt es denn große Unterschiede im Ablauf einer Opern- bzw. einer Schauspielproduktion?
Emery: Die Abläufe der Oper mitzubekommen ist für mich super spannend, denn ich habe noch nie etwas mit Oper zu tun gehabt. Die Art und Weise, wie das alles funktioniert ist auf jeden Fall total anders! Im Schauspiel gibt es zu Beginn eine Konzeptionsprobe und es wird erst einmal ein bisschen holprig durch den Text gelesen. Im Musiktheater ist es so, dass man vom ersten Probentag an die Noten und den Text auswendig kann. Für mich als Opernlaie klang das schon am ersten Probentag genial. Ich dachte mir, ja läuft doch, Eure Stimme klingt doch schon super, was machen wir jetzt noch sechs Wochen lang? Und natürlich ist es auch ganz anders, Bewegungen und Abläufe zu finden, weil die Sänger sehen müssen, dass sie Luft bekommen und ihre Stimme entfalten. Aber die Unterschiede ziehen sich durch bis zur Aufführung: Nehmen wir beispielsweise die Klavierhauptprobe, wo der Regisseur dann praktisch sein Zepter an den Dirigenten abgibt. Beim Schauspiel sieht es da ganz anders aus. Da wird oft noch bis zum Schluss gefeilt und gehobelt und da fallen noch ganz viele Späne – da kann es sein, dass in der Nacht von der Generalprobe zur Premiere noch ein ganzer Akt gestrichen wird. Und bei der Oper, das geht da nicht?
Damien: Oh nein, natürlich nicht, das wäre bei uns nicht möglich.
Ein weiterer Unterschied ist, dass viele Opern nicht auf Deutsch aufgeführt werden. L'Ancêtre beispielsweise singt ihr auf Französisch. Damien, deine Muttersprache ist Französisch. Hast du dadurch Vorteile?
Damien: Ich komme ursprünglich aus Straßburg, dort lernen wir aber auch Deutsch in der Schule und meinen Bachelor habe ich in Dresden gemacht. In Deutschland bin ich nun seit fünf Jahren aber natürlich ist meine Muttersprache Französisch. Für mich als Franzose gibt es Vorteile und Nachteile. Ein Vorteil ist natürlich, dass ich alles verstehe, was gesagt wird und passiert, darauf kann ich sofort und spontan reagieren. Der Nachteil ist das Singen auf Französisch. Auch für uns Franzosen ist das auf Grund der vielen Nasale schwer. Beim Sprechen stellen sie kein Problem dar, aber auch für mich sind Nasale ganz, ganz furchtbar zu singen.
Und wie ging es dir, Emery, damit? Kannst du Französisch?
Emery: Außer ein bisschen Zählen kann ich nicht wirklich Französisch. Am Anfang war ich deshalb auch sehr verwirrt. Ich musste mich da erst einmal reinfuchsen. Ich habe schon gemerkt, was es für einen gigantischen Unterschied macht, wenn ich mir die deutsche Übersetzung durchlese und dann ganz genau weiß, was singen die Figuren gerade. Erst dann kann ich darauf reagieren. Mittlerweile kenne ich jeden Satz auswendig, der mich betrifft. Was aber für mich als Musiklaie noch viel, viel schwieriger ist: die Einsätze zu bekommen. Da gibt es schon einige Verabredungen – danke Damien, dass du mir da jedes Mal hilfst!
Damien: Oh bitte, gerne!
Damien, kommt es für dich auch manchmal zu amüsanten Situationen durch eine falsche Aussprache oder lustige Versprecher der anderen Sängerinnen und Sänger?
Damien: Ich muss sagen, dass meine Kollegen sehr, sehr gut sind mit dem Französischen. Natürlich gibt es ein paar Stellen an denen man merkt, dass sie keine Franzosen sind, aber das ist sehr selten und ich verstehe alles sehr gut.
Jetzt sind es nur noch fünf Tage bis zur Premiere – ist das Premierenfieber schon ausgebrochen? Wie geht es auch so kurz vor dem großen Tag?
Damien: Sehr gut! Ich bin gesund, das freut mich sehr. Ich habe momentan großen Spaß an den Proben und bin mir sicher, die Premiere wird richtig gut.
Emery; Ja ich freue mich auch total. Im Moment ist es toll, die ganzen Proben mit dem Orchester mitzubekommen und diese Stimmung im Raum zu erfahren. Es macht nochmal einen wahnsinnigen Unterschied, die Musik nun mit dem großen Orchester zu hören. Für mich ist es natürlich auch wahnsinnig toll, vor so einem großen Haus zu spielen. Das ist wirklich die größte Bühne, die ich bisher bespielt habe. Man merkt das einfach, dass im Zuschauerraum rund 1000 Menschen sitzen können. Und gerade an dieser einen Stelle, wo ich nach vorne laufe, bin ich schon immer überwältigt. Das ist schon geil!
Ab dem 20. März könnt Ihr die beiden live im Prinzregententheater erleben. Weitere Infos und Karten zu L'Ancêtre findet Ihr hier.
Emery Escher war bereits während seiner Schulzeit als Poetry Slammer und im Improvisationstheater aktiv. 2011 absolvierte er einen Schauspielkurs unter Howard Meyer in New York, später folgten weitere Kurse in Berlin. Dort war er auch Mitglied im freien Ensemble Theater am Tisch. Von 2014 bis 2018 studierte er Schauspiel an der Theaterakademie August Everding in München, wo er zuletzt in Geschlossene Gesellschaft in der Regie von Camille Hafner zu sehen war. Seitdem ist er als freischaffender Schauspieler tätig und gastierte u.a. am Theater Regensburg. Weiterhin betreut er auch theaterpädagogische Projekte und sammelt erste Dreherfahrungen. Seit 2016 spielt er am Münchner Residenztheater in Ulrich Rasches Inszenierung Die Räuber, welche 2017 eine Einladung zum Berliner Theatertreffen erhielt.
Der Bariton Damien Gastl begann seine Ausbildung in seiner Heimatstadt Straßburg. Es folgte ein Bachelor an der Hochschule für Musik in Dresden bei Frau Prof. Christiane Junghanns sowie in der Liedklasse von Herrn KS Prof. Olaf Bär und in der Konzertklasse von Frau Britta Schwarz. Sein Operndebüt gab er 2014 als Pierrot in Glucks Merlins Insel im Labortheater Dresden. Darauf folgten Engagements an den Landesbühnen Sachsen als Deputé in Don Carlo und in Hochschulproduktionen als Simon in Treemonisha oder Guglielmo in Così fan tutte. Sein Repertoire umfasst zudem Rollen wie Papageno, Valentin oder Malatesta, wobei eine besondere Leidenschaft der französischen Musik gilt. Letzteres führte zur Beteiligung an einer Konzertreihe in Dresden unter dem Titel Französische Natur. Damien Gastl vertieft seine Studien regelmäßig in Meisterkursen.