Kleines Publikum - Große Pläne

16 Teilnehmer aus ganz Europa diskutieren darüber, was eine Oper für Kinder ausmacht. Nach dem ENOA-Workshop "Miniatures: creating opera & music theatre for children & young audience" in Brüssel und Ghent, kann die Regie-Studentin Gineke Pranger diese Frage beantworten.

Bericht über den zweiteiligen Enoa-Workshop „Miniatures: creating opera & music theatre for children & young audience“, der vom 8. bis 12. Juni 2017 an der Opéra de la Monnaie in Brüssel und vom 4. bis 8. September 2017 im LOD muziektheater in Ghent stattgefunden hat.

Erstes Treffen in Brüssel. 16 Teilnehmer aus 9 Ländern. Darunter Sänger*innen, Komponist*innen, eine Autorin, eine Bühnenbildnerin und viele Regisseurinnen. Wir kennen uns noch nicht aber haben ein gemeinsames Ziel: Oper für Kinder machen, also für Jugendliche, für junge Menschen. Was das heißt und wer das ist, darüber wird in dieser ersten Arbeitsphase ausführlich diskutiert.

Opernschaffende aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland kommen vorbei und bieten Einblicke in ihre Werke und Arbeitsweisen. Offen und ehrlich, mit Leidenschaft aber vor allem auch mit Ernsthaftigkeit. Auch reden sie mit uns über die Konzepte, die allmählich Form annehmen.

Eine Frage kommt immer wieder auf den Tisch: Wo ist das Geld für solche Projekte und wie kommt man daran? Die Antworten sind ernüchternd. Auch für Belgiens bekannteste Opernmacher und -gesellschaften gibt es keine Sicherheit und keine Glücksformel.

Die Förderungssysteme werden verglichen, finanzielle Horrorszenarien aus sieben Ländern kommen zutage. Ich denke kurz an meine Zukunft und schreibe vorbereitend im Notizheft: An das Geld ranzukommen wird, im besten Falle, sehr schwierig.

Wir besuchen die Premiere von Pinocchio in La Monnaie/De Munt. Die Kinderoper, komponiert von Philippe Boesmans und inszeniert von Joel Pommerat, wirkt gar nicht 'kindisch' und steht im schrillen Kontrast zum Disney-Pinocchio meiner Erinnerung. Die Geschichte einer Puppe, die zum Leben gezwungen, von der Welt ausgeschlossen und für seine Fehler hart bestraft wird, wird in düsteren Bildern und melancholischen Klängen erzählt. Für eine Kinderoper ziemlich gruselig. Darf man das denn?

"Kontext" ist das Keyword und darum geht es in der Diskussionsrunde mit Gilles Abel, sein Fachgebiet ist Philosophie für Kinder. Wir reden über Klischees und über die Problematik rund um den Begriff 'Kinderoper'. Wer sind denn diese geheimnisvollen jungen Zuschauer, für die wir Stücke entwickeln wollen? Warum gibt es diese Trennung "wir Erwachsene" und "ihr Kinder"? Enthusiastisch begegnet er unseren Fragen mit Gegenfragen.

Einige Monate später treffen wir uns wieder, diesmal in Ghent.
Im Produktionszentrum LOD wird im Supertempo komponiert und ausprobiert.

Einige Teams befinden sich in der Dauerübersetzung. Ein deutsch-polnisch-französisches Team adaptiert eine Geschichte über einen Maulwurf. Doch in welcher Sprache singt der Maulwurf in Belgien, wo Kinder entweder Niederländisch oder Französisch sprechen?

Ein anderes Team beschäftigt sich mit Mobbing im Netz, in einem Experiment lassen sie eine Schulklasse nach Herzenslust fluchen und schimpfen.

Am Ende wird die Zeit wie immer knapp, die Präsentation steht bevor. Es ist toll zu sehen, wie unterschiedlich die Konzepte geworden sind. Und wenn wir am Abend zusammen ein letztes belgisches Bier trinken, sind alle wieder ihr entspanntes Selbst. 'Was ist deine Lieblingsszene aus deiner Lieblingsinszenierung von deiner Lieblingsoper?' wird in die Runde gefragt. Ich freue mich, mit so vielen Opern-Nerds in der Kneipe zu sitzen. Heute denkt niemand an das Geld. Wir trinken noch lange weiter und spielen und singen uns gegenseitig unsere Lieblingsszenen vor.

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