Feuerzeug

Die Proben zu Love me Gender? schreiten voran und an ein Ende im Recherchedschungel ist noch nicht zu denken. Auf unserem Projektblog auf Tumblr gibt es noch mehr zu lesen und zu sehen. Neben dieser Recherche der drei ProduktionsdramaturgInnen haben auch die Schauspielstudierenden ihre Gedanken formuliert: Der Text von Studentin Clara Liepsch gewährt uns einen Einblick.

Dieses Jahr bekam ich vom Freund meiner Schwester zu Weihnachten ein Feuerzeug mit der Aufschrift FEMINIST. Ursprünglich hatte meine Schwester es ihm selbst geschenkt, aber er meinte, es wäre wohl besser bei mir aufgehoben. Ich freute mich sehr darüber, irgendwie machte es mich sogar ein wenig stolz. Ich dachte darüber nach, ob das stimmt. Also, ob ich wirklich eine Feministin bin. Philip aus meinem Jahrgang sagt, ich bin eine. Und meine beste Freundin. Und mein Papa.

Was heißt es denn, heute Feministin zu sein?

Ich frage mich so oft, wo wir eigentlich stehen. So oft weiß ich nämlich gar nicht, wofür oder wogegen ich jetzt argumentiere. Es ist alles so verschwommen. Bevor ich auf die Schauspielschule kam, war das für mich alles überhaupt kein Thema. DIESES GENDER-THEMA. Ich hab das einfach nicht so wahrgenommen. Aber seit ich auf der Schauspielschule bin, merke ich, dass es da echt noch einiges zu tun gibt. Dass es selten möglich ist, einfach zu machen, wonach mir ist, ich meine, mir ALS FRAU. Ich meine, eigentlich hatte ich schon verloren, weil ich größer als 1,50m bin und kurze Haare habe (wenigstens sind sie blond), entschuldigung, mein Fehler. Konnte ich ja nicht wissen, dass ich schon allein damit eine Meinung vertrete. Dass ich dann kein KLASSISCHER FRAUENTYP bin (nie zuvor gehört, den Ausdruck). Die kurzen Haare finde ich einfach praktisch und außerdem stehen sie mir viel besser als lange Haare. Aber das ist egal, ist mir aufgefallen. Es gibt schon längst ein Bild von mir. Und wenn du jetzt noch eine kritische Frage stellst, dann bist du…aha: Eine Feministin.

Oft merke ich, dass mir in Diskussionen die Worte fehlen. Und ständig wird man so angeschaut, mit diesem ALLES KLAR, DU WEISST ES SOWIESO BESSER-Blick. So oft überlege ich, wie ich mich verhalten kann, aber immer wieder wird mir klar: Ich habe schon verloren, bevor ich überhaupt gesprochen habe. Und jetzt bloß nicht laut werden, NICHT IN DIE AGGRESSION GEHEN, weil laut als Frau sein: keine gute Idee.

Es geht mir nicht nur um die unzähligen Beispiele sexistischer dramatischer Texte, oder den unzähligen Beispielen an Inszenierungen, wo weibliche Schauspielerinnen gefühlt nur die Hälfte vom Kostüm anhaben. Es geht mir auch nicht um das gesellschaftliche Zuordnen von Hochstatus zu Mann und Tiefstatus zu Frau. Nein. Es geht mir darum, dass ich mir im 21. Jahrhundert von Männern die Frage anhören muss: WIESO IST ES DENN SEXISTISCH, WENN ICH DIR DIE TÜR AUFHALTE? Und ich denke mir: Ist das wirklich dein Punkt? Ich meine, denkst du wirklich, es ist für mich ein Problem, dass du mir die Tür aufhältst? Weißt du was, es ist mir ehrlich gesagt scheißegal, ob Du mir die Tür aufhältst. Und wenn du ein schöner Mann bist, dann freue ich mich sogar darüber. Weil ich bin nämlich heterosexuell und glücklich damit.

Der Punkt ist, dass ich will, dass aufgehört wird, zu sagen: Du bist aber eine starke Frau. Oder: Du verkörperst nicht eine TYPISCHE FRAU. Ich will, dass MÄNNLICH/WEIBLICH aufhört. Ich will, dass aufgehört wird, von NORMAL und ANDERS zu sprechen. Ich will, dass wir endlich anfangen, uns in die Augen zu schauen, und uns so zu akzeptieren, wie wir sind. Und dass wir uns zuhören. Wir, als Menschen.

Und auch wenn Jan Böhmermann versucht uns zu vermitteln, dass die Erde eine Scheide istExterner Link – das reicht einfach nicht. Es liegt an jedem einzelnen von uns. Ich hatte so lange Angst. Und das trotz aller Feministinnen und Feministen, die es auf dieser Erde seit Jahren gibt. Angst zu sagen, was ich wirklich denke, weil ich dann in eine Ecke gestellt werde. Weil ich dann kritischer beäugt werde. Weil 
ich etwas verliere, wenn ich Dinge ausspreche, die eh allen klar sind. Weil ich dann als schwierig, laut und anstrengend gesehen werde. Aber das Gute ist: Jetzt wo es soweit gekommen ist, fühlt es sich gar nicht so schlecht an. Es fühlt sich so wunderbar befreiend an.

Ja, ich bin eine Feministin und ich freue mich schon, wenn ich das Feuerzeug das erste Mal verwenden kann.

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