BO-Phase? Immer diese blöden Abkürzungen… In diesem Fall macht sie aber wirklich Sinn, denn ausgeschrieben bedeutet das „Bühnenorchesterproben-Phase“ und hätte eindeutig den Rahmen der Überschrift gesprengt. Der Beginn der BOs ist für alle Beteiligten der Musiktheaterproduktion Die arabische Nacht etwas sehr Spannendes, denn nach den wochenlangen Proben mit mehr oder weniger trockener Klavierbegleitung kommen nun endlich die Instrumentalisten dazu.
Die Kollegen aus dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz haben bereits im Vorfeld unter der Leitung unserer Dirigentin Eva Pons an der komplexen Partitur von Christian Jost gearbeitet. In den Bereich der musikalischen Vorbereitung fallen außerdem die Orchestersitzproben, in denen die Sänger zum ersten Mal rein konzertant mit den Musikern zusammenarbeiten.
Nachdem eine Grundverständigung zwischen Dirigentin, Sängern und Orchestern gewährleistet ist, starten die BOs. Davon gibt es in unserem Fall sechs Stück, also mehr als sonst. Schließlich ist so eine zeitgenössische Partitur, die noch dazu keiner der Musiker zuvor gespielt hat, besonders anspruchsvoll. In diesen sechs Proben haben wir nun die Möglichkeit, Bühne und Graben harmonisch miteinander zu verbinden. Denn die Umstellung von einer mit Klavier begleiteten zu einer orchestralen Probe ist gar nicht so einfach. Die Komposition von Christian Jost ist sehr filigran und vielschichtig, dabei setzt sie auch auf virtuose Arabesken v.a. in der Celesta. All diese Einzelstimmen werden in einem sogenannten Klavierauszug vereint, mit dem dann die ersten Probenwochen bestritten wurden. Unsere Korrepetitoren haben in dieser Zeit wirklich kunstvoll und mit größter Virtuosität in die Tasten geschlagen, aber man kann sich vorstellen, dass die zwei Hände eines Pianisten dabei nur einen Bruchteil von dem wiedergeben können, was später die achtzehn Musiker des Orchesters spielen.
Deswegen ist die erste BO immer eine besondere Überraschung, wenn endlich alle Töne der Oper zu hören sind. Die Sänger müssen sich nun umstellen und neue Anhaltspunkte suchen, anhand derer sie ihre Einsätze finden können. Außerdem verändert sich der Klang auf der Bühne, manche Instrumente sind von manchen Positionen besser zu hören als von anderen. Ebenso haben die Orchestermusiker jetzt die Gelegenheit, ihre jeweiligen Partien auf die Gesangslinien abzustimmen. Wie klingt die Akustik im Raum, welche Phrasen müssen zurückgenommen, welche hervorgehoben werden? Bei dieser Arbeit sind zuverlässige musikalische Assistenten unerlässlich, die der Dirigentin im Graben Rückmeldung geben, wie sich die Musik im Saal mischt. Wir haben das Glück, mit Joachim Tschiedel und Maria Fitzgerald gleich zwei ausgezeichnete Musiker und selbst Dirigenten zu haben, die während den Proben ganz genau hinhören.
Ebenso sind BOs dafür da, musikalische Details festzulegen. In Die arabische Nacht gibt es an einer Stelle eine wunderschöne Ferntrompete, die – wie der Name schon sagt – aus der Ferne gespielt werden soll, um den Eindruck von Distanz zu erwecken. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, wo man diesen Trompeter platzieren kann: unter der Bühne, hinter der Bühne, hinter den Zuschauern… Es müssen zahlreiche Varianten ausprobiert werden, bis die perfekte Lösung gefunden ist. Wir haben nun den idealen Platz gefunden – hören Sie doch mal genau hin, wenn Sie in einer Vorstellung sind. Finden Sie die Ferntrompete?
Am Mittwoch Abend hatten wir unsere vierte BO und den ersten kompletten Durchlauf mit Bühne und Orchester. Langsam aber sicher fügen sich alle Komponenten zusammen, die Kostüme vervollständigen sich, die Videoeinspielungen werden noch genauer auf die Musik abgestimmt und das große Ganze wird immer deutlicher.
Eines steht auf jeden Fall jetzt schon fest: Die arabische Nacht wird eine spannende, eindringliche und tief berührende Produktion mit großer Lust am leidenschaftlichen Spiel, die ihren Zuschauern kurzweilige 90 Minuten und einen packenden Opernabend bereiten wird!