Schon im Laufe meines Studiums bin ich immer mit Manuel Puigs Roman Der Kuss der Spinnenfrau (und seiner Musical-Adaption) in Berührung gekommen: Sei es durch meine Kommilitonen, die zur Prüfung nach dem 2. Studienjahr eine Szene aus dem Stück gespielt haben, in der Liedklasse oder eben als mir mein geschätzter Schauspieldozent Frieder Kranz nach einer Schauspielstunde den Roman reichte und sagte: "Das wäre doch was für dich! Schau es dir mal an!" So bin ich diesem Stoff nie entkommen – er war immer irgendwie da.
Richtig klar wurde mir das aber erst, als ich mir Gedanken über meine One-Man-Show machte. (Jeder Absolvent brachte damals als Prüfungsteil eine eigene Solo-Show auf die Bühne.) Da ich das große Glück hatte, neben meinem Musical-Studium auch klassischen Gesang an der Hochschule für Musik und Theater im Fach Countertenor studieren zu dürfen, wollte ich eine Figur finden, die möglichst "geschlechtslos" ist – wo eben das Geschlecht der Figur keineswegs im Vordergrund steht. So kam mir sofort der transsexuelle Luis Alberto Molina aus Der Kuss der Spinnenfrau in den Sinn.
So konnte ich meine Musical- und Countertenor-Stimme einsetzen, ohne dass es albern oder aufgesetzt gewirkt hätte – oder noch schlimmer, ohne dass sich der Zuschauer fragt: Warum sing der Mann jetzt so hoch?!
Und so spiegelte mein Soloprogramm eben genau die Laufbahn meines Studiums wider: Ich musste mich nicht entscheiden, möchte mich nicht in Schubladen stecken lassen – ich kann alles so tun (und lassen) wie ich es gerne möchte. Wir sind schließlich auf der Bühne, wir machen Kunst – wir schaffen. Schaffen Neues.
Auch das hat mir – jetzt zwei Jahre nach meinem Abschluss – die Augen geöffnet: Nur dadurch, dass ich die großartige Chance bekam, auszuprobieren was noch in mir steckt, wurden mir viele Türen geöffnet. So durfte ich noch während meines Studiums die Mary Sunshine in Chicago spielen und bekam direkt im Anschluss das Angebot für Tanz der Vampire. Durch die zeitliche Verpflichtung musste ich natürlich auch einige Anfragen absagen – aber das bedeutet ja nur, dass es vielleicht doch noch nicht der richtige Moment war. Der kommt sicher noch! :-)
Und nach wie vor stehe ich mit EINE FRAU SCHAU auf der Bühne – ein Stück, das meine künstlerische Laufbahn sehr geprägt hat und mit dem ich viel gelernt habe, auch über mich selbst. So ist es schön, nach und während den Ensuite-Produktionen etwas ganz anderes zu spielen und mit Luis Alberto Molina in eine andere Welt zu fliehen.
EINE FRAU SCHAU
Mo 31.07.2017, 20 Uhr
Renitenztheater, Stuttgart
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