Der lange Weg zum Maskenspiel: "Die Glorreichen"

Eine gänzlich ungewohnte Arbeit stellen die Proben von Die Glorreichen für unsere Musical-Studierenden dar – das liegt unter anderem an der Verwendung der traditionellen Commedia-dell'arte-Masken. Daniel Wagner, selbst Studierender im Musical und Darsteller in der Produktion, dokumentiert für unser Blog die Proben bis zur Premiere am 12. Juli. Hier ein erster Einblick!

"Eine Bretterbühne, Zuschauer und ein großer Schauspieler?" - fehlt da nicht noch was? 

Richtig. Denn was wäre die Commedia dell'arte ohne die charakteristischen Masken, die von den Darstellern auf der Bühne getragen werden, je nachdem, welche Figur sie darstellen?

Das Musical Die Glorreichen bedient sich in vielen Szenen der Commedia dell'arte - eine große Herausforderung für Regisseur Frieder Kranz und das Ensemble. Denn auch für die oftmals nur sekundenlangen Commedia-Szenen muss die passende Spieltechnik angewandt werden.

Das Spielen mit Masken ist eine historische und traditionsreiche Schauspieltechnik, die auch ein umfassendes Wissen über die einzelnen Figuren der Commedia dell'arte wie Arlecchino, Dottore oder Colombina beinhaltet. Was einfach aussieht, ist in acht Wochen Probenzeit nur schwer erlernbar und bedarf eigentlich jahrelanger Arbeit. 

Um den richtigen Umgang mit den Masken zu erlernen, trainiert das Ensemble lange und intensiv. Bis zu sechs Stunden werden die Masken täglich ausprobiert, um eine möglichst feinfühlige Interaktion zwischen Schauspieler und Maske zu erlangen. Die Darsteller und das Kreativ-Team bekommen durch die Maskenarbeit viele neue Erkenntnisse über die Spielweise mit dem ungewohnten "Requisit".

 

Die Darsteller tasten sich bereits unmittelbar zum Probenbeginn von Die Glorreichen mit einfachsten Mitteln an die endgültigen, komplexeren Masken heran, die dann auch in der Show verwendet werden: Aus weißem Zeichenpapier und einem Haushaltsgummi werden zunächst neutrale Masken gebastelt. 

Nur ein Stück Papier auf dem Gesicht des Schauspielers also? Weit gefehlt! An diesen neutralen Masken hängt nämlich zunächst auch ein neutraler Körper, für den zunächst einmal ein Bewusstsein geschaffen werden muss: Gangart, Gestik, Bewegungen – alles verändert sich.

Masken, egal welcher Art, verdecken zum größten Teil das Gesicht des Schauspielers und legen dadurch den Fokus auf seinen Körper. Andererseits vergrößern sie jedoch auch die Bewegung rund um das Gesicht. Die Masken werden zur Projektionsfläche für den Zuschauer und beeinflussen die Bedingungen, unter denen der Darsteller auf der Bühne steht. Ein Schauspieler, der eine Maske ohne Mund trägt, darf beispielsweise nicht sprechen. Der Darsteller wird ganz und gar zum „neutralen Objekt“, erst die Maske haucht ihm Leben ein. 

Der wichtigste Grundsatz für die sieben Mitglieder des Ensembles ist: „Die Maske lernt alles neu.“ Wie ein Kleinkind erfährt sie auf dem Gesicht der jeweiligen Person die Umwelt um sich herum völlig neu und ist dabei Ursprung jeder Bewegung und jeder Aktion auf der Bühne.

Der Darsteller muss der Maske folgen und soll sich von ihr führen lassen, anstatt sich Szenarien und Bewegungen bereits vorher zu überlegen.

Hat er die passende Körperlichkeit und Bewegungsqualität seiner Figur gefunden, darf allmählich Atem, Stimme und letztlich Sprache verwendet werden. Erst im fortgeschrittenen Stadium kommen die Darsteller zum Spiel mit den figurenspezifischen Masken. Auch hier gehen alle Bewegungen von der Maske aus, werden jedoch der jeweiligen Figur angepasst.

Wer nun glaubt, die Commedia dell'arte wäre eine veraltete Schauspieltechnik, irrt sich! Sieht man sich Slapstick-Komödien unserer Tage wie Mr. Bean oder auch Cartoons wie Roadrunner an, wird man feststellen, dass auch hier Prinzipien aus dem Maskenspiel angewendet werden. Sie scheinen zwar auf den ersten Blick in Vergessenheit geraten zu sein, tatsächlich stellen sie jedoch eine unsichtbare Grundlage für heutige Komödien dar.

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